Bald ein Glaubenskrieg – darf die Welt sich alles vom Islam gefallen lassen?

Das neue Jahr war in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria keine halbe Stunde alt, da wurde es für die Gläubigen in der koptischen St. Markus- und -Petrikirche schon zum Schreckensjahr.
Als Hunderte von ihnen aus der Neujahrsmesse strömten, zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die besinnliche Stimmung, die sie im Gotteshaus empfangen hatten. Es gab ein Inferno. Leichen lagen in ihrem Blut, Verletzte krümmten sich schreiend am Boden, brennende Fahrzeugtrümmer, Schutt und Scherben überall – Bilder, wie man sie in Ägypten nur aus Fernsehberichten aus Bagdad kennt.

Mindestens 21 Gläubige riss der Selbstmörder mit in den Tod. Unter den überlebenden Kirchgängern mischte sich Wut in die Trauer. Vor allem jüngere unter ihnen scharten sich um ein paar Jugendliche, die aus Holzlatten schnell überlebensgroße Kreuze zusammengezimmert hatten, und riefen: „Unser Leben, unsere Seele geben wir für unser Kreuz!“ Steine flogen gegen die gegenüber gelegene Shark-al-Medina-Moschee. Ägyptische Sonderpolizei drängte die Menge mit Tränengas ab.

Ägyptens Kopten haben Grund zur Wut. Der Staat, der den Islam als Amtsreligion in der Verfassung verankert hat, benachteiligt sie in vielen Bereichen. Sie dürfen nur selten Kirchen bauen und werden im Staatsdienst gegenüber Muslimen diskriminiert. Während Christen jederzeit zum Islam konvertieren können – und etliche das wegen der strengen Scheidungsbestimmungen der koptischen Kirche auch tun -, ist es für einen Muslim unmöglich, den christlichen Glauben anzunehmen. Aufgeklärtere Kopten kritisieren aber auch die Belagerungsmentalität, den Dogmatismus und die Unduldsamkeit, die sich in ihrer Kirche unter Papst Shenuda III. breitgemacht hätten.

Die Konflikte zwischen muslimischen und christlichen Ägyptern um baulich vergrößerte Gotteshäuser und konvertierte Seelen münden nicht selten in tödliche Gewalt. Doch das Massaker von Alexandria verweist auf eine ganz andere Qualität. Nicht nur deutete das Regime von Präsident Hosni Mubarak mit dem Finger auf „ausländische Elemente“, nicht nur nannte der Gouverneur von Alexandria, Adel Labib, die Al-Kaida im Irak beim Namen. Der Anschlag trug auch für Experten deutlich die Handschrift des zur Zeit der US-Besatzung im Irak entstandenen Terrornetzes.

Hinzu kommt, dass die Organisation „Islamischer Staat des Iraks“ bereits vor einer Woche Anschläge gegen Christen im gesamten arabischen Raum angekündigt hatte. Der Al-Kaida-Ableger hatte sich ausdrücklich auf einen der gegenwärtig schwelenden Glaubenskonflikte in Ägypten bezogen. Die Affäre ist ebenso undurchsichtig wie bizarr: Zwei mit Priestern verheiratete Christinnen waren zum Islam konvertiert, um sich von ihren Männern scheiden zu lassen, würden aber seitdem angeblich von der Kirche in „Geiselhaft“ gehalten. Der „Islamische Staat“ verlangt die „Freilassung unserer muslimischen Schwestern“.

Auch im letzten Oktober, als Terroristen in einer christlich-assyrischen Kirche in Bagdad fast 60 Gläubige niedergemetzelt hatten, hatte die irakische Al-Kaida das Blutbad als „Vergeltung“ für das angebliche Festhalten der beiden ägyptischen Neu-Musliminnen dargestellt. Harte Beweise für die Urheberschaft der Al-Kaida am Anschlag von Alexandria lagen zunächst keine vor. Doch der Schritt, die Zone des Terrors international auszuweiten, erscheint nicht unlogisch.

Denn im Irak selbst, von wo sich das US-Militär in Vereinbarung mit der gewählten Regierung mehr und mehr zurückzieht, verlieren die selbst erklärten Gotteskrieger zunehmend an Boden. Der grenzübergreifende Dschihad (Heilige Krieg) gegen vermeintliches Unrecht an Muslimen, wie eben im Fall der konvertierten ägyptischen Priestergattinnen, würde ihnen – so das Kalkül – bei simplen Geistern in der weiteren muslimischen Welt Imagepunkte einbringen.